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Mit Mitgefühl und Klarheit zum Erfolg

Wie können Führungskräfte harte Entscheidungen auf menschliche Weise umsetzen? Eine aktuelle, umfassende Studie der Harvard Business Review zeigt, dass wer zwischen hartem Management und Gutmensch-sein trennt, auf der Verliererseite steht. Mitfühlende und klare Leader hingegen erreichen 20% mehr Leistungserbringung, eine vierfach höhere Arbeitszufriedenheit und doppelt so viel Commitment in der Belegschaft. Mit vier Wegen zeige ich auf, wie dies erreicht werden kann.

In einer Zeit, in der Selbstbeweihräucherung, entartete Machtkämpfe und Raffgier zur Tagesordnung gehören, gibt es einen Lichtblick: Gemäss einer aktuellen Harvard Business Review-Studie führt der Paradigma-Wechsel von einem egozentrischen, selbstoptimierenden Management zu einer weisen, mitfühlender Führung zum Erfolg. Mehr noch, die Daten aus über 350 C-Level-Interviews und Befragungen von über 15’000 Führungskräften und 150’000 Mitarbeitenden zeigen, dass klare und mitfühlende Leader bei ihren Mitarbeitenden 20% mehr Leistungserbringung, vier Mal höhere Arbeitszufriedenheit und doppelt so viel Commitment zur Unternehmung erzielen. Das ist enorm.

Weder zuckersüss noch eiskalt

Wie können wir als Führungskräfte sowohl mitfühlende als auch klare Führung entwickeln? Um es vorauszuschicken: Mitgefühl und Klarheit gehören zusammen; das eine ohne das andere ist zahnlos, respektive hart und führt nicht zum Erfolg. Mitfühlend führen heisst, menschlich führen und damit die Kunst beherrschen, harte Dinge klar und doch fürsorglich zu vermitteln. Was ich keinesfalls damit meine, ist der eigenen Führung einen Weichspüler zu verpassen und dem Umgang mit Mitarbeitenden einen Zuckerguss überzustülpen. Ich meine aber auch nicht eine übertriebe Klarheit, welche scharf, kalt und verletzend wirkt. Es geht um die Kombination von mitfühlen und klären. Damit lösen wir eine mögliche Spaltung in unserer Vorstellung auf: Als Privatperson mag ich zwar gütig sein, aber im Business gilt es Härte zu beweisen und sich die Rüstung anzuschnallen. Die umfassende HBR-Studie beweist, dass wir mit einer solchen Überzeugung auf dem Holzweg sind. Wirklich erfolgreiche Leader verbinden Menschsein mit ihrer Führung.

Vier Wege zu mitfühlender und klarer Führung

1. Entwickle Qualitätsziele

Alles beginnt mit einer erfolgreichen Selbstführung. Wenn wir selbst lernen, stimmige Prioritäten zu setzen und Qualitätszeit für uns selbst zu schaffen, wirkt dies nicht nur für uns selbst klärend und zentrierend, sondern es stahlt richtungsgebend auf die gesamte Unternehmung aus. Folgende Fragen unterstützen die Entwicklung der Qualitätszeit:

  • Wie und wann plane ich tagsüber kurze Präsenzzeiten ein, um frisch und zentriert die nächste Sitzung zu gestalten?
  • Welches kurze Ritual (e.g. drei bewusste Atemzüge) wandelt den Start meiner Sitzung, so dass alle mehr präsent sind?
  • Wann reserviere ich mir strategische Auszeiten, um die wirklich wichtigen Dinge zu reflektieren?

2. Begegne Deinen Unsicherheiten und stärke Deine Herzqualitäten

Da mitfühlende und klare Führung den ganzen Menschen umfasst, kommen wir nicht umhin, uns mit unseren Herzqualitäten zu befassen. Das ist für die meisten von uns, die sehr kopfgesteuert sind, gefährliches, schwer zu kontrollierendes Terrain. Wenn wir jedoch andere umfassend begeistern wollen, wenn wir als Leader andere ganzheitlich einbinden wollen, sie an uns und die Unternehmung binden wollen, kommen wir nicht darum herum, unsere emotionalen Qualitäten zu entfalten. Statt belastende Gefühle wie Wut, Frustration, Neid, Verlust oder Trauer zu rationalisieren oder zu ignorieren, gilt es ihnen zu begegnen. Dabei hilft mir die Formel: Face it, Feel it, Own it, Express it, Handle it. Dieses Training in emotionaler Kompetenz können wir nicht am Computer üben, sondern brauchen dazu einen Sparringspartner. Welche Veränderungen dabei in einem Leadership-Coaching entstehen, erstaunen mich immer wieder von neuem.

3. Nenne Schwieriges beim Namen

Aus Angst andere zu verletzen oder sich selbst blosszustellen, halten wir in Auseinandersetzungen hinter dem Berg und scheuen uns, Dinge beim Namen zu nennen. Dies erschwert nicht nur die Zusammenarbeit, weil wir nicht wissen, woran wir beim anderen sind. Wenn wir nur Anspielungen machen oder um den heissen Brei sprechen, mindert dies zudem die Produktivität. Was ist also ein Weg, um Schwieriges beim Namen zu nennen, ohne andere zu verletzen? Hier eine einfache Anleitung:

  • Bereite Dich sorgfältig auf das Gespräch vor und stelle sicher, dass Deine Motivation Klärung und nicht Verletzung beabsichtigt
  • Starte das Gespräch mit dem Kernpunkt
  • Versetze Dich ins Gegenüber und lote aus, wie es der Person dabei geht
  • Biete Optionen an
  • Stelle ein Follow up sicher

4. Sorge für Transparenz und lebe Fürsorge

Je transparenter wir unser Umfeld über uns selbst und die Entwicklungen im Unternehmen informieren, umso besser können andere unser Handeln nachvollziehen und umso mehr Sicherheit können wir ihnen bieten. Transparenz zahlt ein auf den Safe Space. Wir fragen uns also: Über welche Kanäle kommunizieren wir Unternehmensentscheide und deren Hintergründe? Und wo schaffen wir Räume für Diskussionen mit Fragen und Antworten?

Um den Bogen zum ersten Weg „schaffe Qualitätszeit für Dich“ zu schlagen, geht es nun darum Qualitätszeit mit und für andere zu schaffen:

  • Welches Team braucht mehr Präsenz und Möglichkeiten für den Dialog?
  • Welche Persönlichkeiten agieren als Selbstläufer oder stille Schaffer im Hintergrund und benötigen eine Aufmerksamkeit?
  • Wer durchläuft eine Krise und ist auf Unterstützung angewiesen?
  • Welche Beziehung steht auf einem instabilen Fundament und braucht Pflege?

Die beiden ersten Wege der Qualitätszeit und des Umgangs mit Unsicherheiten betreffen wohl die meisten Leader. Die beiden letzten Wege hängen von der Persönlichkeit ab: Ein dominanter und selbstbewusster Leader muss sich wohl weniger in „nenne Schwieriges beim Namen“ üben, jedoch sicher in „lebe Fürsorge“. Wohingegen ein empathischer Leader sich weniger im behutsamen Umgang mit anderen, jedoch stark in klarer Stellungnahme üben sollte. Wie immer wir auch aufgestellt sind, können wir uns an Nelson Mandela halten, der es folgendermassen zusammenfasst: „Ein guter Kopf und ein gutes Herz sind immer eine hervorragende Kombination.“

Jörg Eugster 

Weiterführende Literatur

  • Mehr zum Thema im Buch “Compassionate Leadership – How to do hard things in a human way” -von Rasmus Hougaard & Jacqueline Carter. Harvard Business Review 2022.