Leben und führen Sie „on mission“ oder „on autopilot“?
Was früher von zahlenaffinen Managern belächelt wurde, ist in heutigen Krisenzeiten ein Erfolgsfaktor: Die eigene Mission entwickeln und verkörpern. Führungskräfte, die über keinen klaren inneren Kompass verfügen, folgen entweder eingefleischten Gewohnheiten oder lassen sich von aussen steuern. Wer hingegen seine innere Orientierung geklärt hat, wirkt stabilisierend, klärend und inspirierend in die Unternehmung. Ist unser innerer Kompass geeicht, führen wir erfolgreicher und glaubwürdiger. Ist dies nicht ein himmelweiter Unterschied? Drei Kernfragen helfen uns, den inneren Kompass zu eichen.
Das Auftragsvolumen bricht massiv ein, eine feindliche Übernahme zeichnet sich ab, ein zentraler Investor bricht sein Commitment etc.; vielfältige Ereignisse lösen Unsicherheit im Unternehmen aus. Im Umgang damit wird von einem Leader erwartet, dass er oder sie Klarheit, Sicherheit und Orientierung vermittelt. Doch wer kann diese Qualitäten vermitteln, wenn er selbst irritiert und verunsichert ist? Führungskräfte bewegen sich in einem Spannungsfeld von äusseren Erwartungen und inneren Möglichkeiten. Wer sich in einer solchen Situation jedoch auf einen starken inneren Kompass verlassen kann, hat es deutlich einfacher Klarheit, Sicherheit und Orientierung sich selbst und schliesslich auch anderen zu bieten. Fehlt hingegen ein innerer Kompass, werden die eigene Verwirrung und Unklarheit weitergegeben, was natürlich kontraproduktiv zur Führung in der VUCA-Welt ist. Jürgen Dormann, ehemaliger CEO der ABB, hat in der Bewältigung der Krise mit seinen wöchentlichen Briefen an die Belegschaft Geschichte geschrieben. Dormann steht als herausragendes Beispiel für einen Leader, der mit seinem eigenen Kompass (zentrale Werte: Transparenz & Verbindlichkeit) für weitreichende Orientierung gesorgt hat.
Den meisten Führungskräften fehlt eine klare Bestimmung
Der Anspruch an eine eindeutige, starke Orientierung – insbesondere in Krisensituationen – ist unbestritten. Dem steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass die wenigsten Führungspersonen auf ein etabliertes inneres Orientierungsinstrument zurückgreifen können. Nick Craig und Scott Snook schreiben in ihrem Artikel in der Harvard Business Review (2014), dass weniger als 20% aller Führungskräfte (von Executives zu Teamleitern, von Grosskonzernen zu Kleinunternehmen) auf eine klar entwickelte Mission zurückgreifen können. Und nur wenige davon können diese auch aktiv formulieren.
Angesichts der vielen lauten Stimmen, die uns umgeben und uns vermitteln wollen, was der beste Weg zum Erfolg sei, akzentuiert sich dieses Problem weiter. Woran orientieren wir uns im Meer der wertvollen Ratschläge und Hinweise? Letztendlich werden wir auf die eigenen haltgebenden Mechanismen zurückgeworfen. Fehlt eine starke innere Verankerung, nehmen Willkür und Selbstzweifel zu.
Mit spiritueller Intelligenz zur eigenen Bestimmung
Unser Orientierungsinstrument wirkt leitgebend und als Konstante im Wandel. Es gibt uns einen Rückhalt und vermittelt unserem Tun, Handeln und Sein einen grösseren Sinnzusammenhang. Im Englischen nennen wir dies Purpose; welchem der deutsche Begriff Bestimmung am nächsten kommt. Der amerikanische Arzt und Autor Deepak Chopra (2010) erklärt, dass jeder Mensch ein einzigartiges Talent besitzt, welches sein wahres Wesen ausdrückt und welches zum Wohle anderer eingesetzt werden will. Unsere Bestimmung liegt darin, dieses Talent zu entdecken und zur Blüte zu bringen.
Und nun stellt sich die Gretchen-Frage: Wie entdecken wir unsere eigene Bestimmung? Die Physikerin Danah Zohar (2021) beschreibt, dass in uns die inhärente Fähigkeit liegt, unserem Tun und Sein Bedeutung zu geben und zwischen gut (förderlich) und schlecht (schädlich) zu unterscheiden. Kurz, es ist die spirituelle Intelligenz, die wir dazu benötigen, um unseren Purpose freizulegen. Spirituelle Intelligenz ist nicht zu verwechseln mit Religion oder Religiosität. In jenen Momenten, in denen sich routiniertes Verhalten auflöst und wir ein tiefes Gefühl von Erfüllung erleben, wo Unwesentliches in den Hintergrund tritt und sich eine starke innere Macht entfesselt, wissen wir tief in uns drin, dass wir «on mission» sind und unserer Bestimmung folgen. Es gilt also einen Weg zu entwickeln, um dieser inneren Macht mehr und mehr auf die Spur zu kommen.
Drei Kernfragen, um die innere Orientierung zu stärken
Die meisten Führungspersonen nehmen sich im arbeitsintensiven Führungsalltag meist wenig Zeit, um am eigenen Purpose zu arbeiten. Oft sind es persönlichen Krisen wie eine abrupte Kündigung, eine Scheidung, eine Midlife Crises etc., welche uns zu den wesentlichen Fragen führen: «Weshalb tue ich dies eigentlich alles? Was ist mir wirklich wichtig?» Wenn wir in einer solchen Krise unsere Kraft nicht nur aufs Überleben richten, sondern uns diesen tieferen Fragen stellen, entsteht Sinn und die Krise wird zur Chance für einen inneren Reifeprozess. Ein Executive Coaching kann Ihnen dann enorm viel bringen. Wenn wir einzelne Leader oder ganze Teams darin begleiten, ihren Purpose zu entdecken, dann durchlaufen wir mit ihnen einen mehrstufigen Prozess, welcher unterschiedliche Reflexionen, Visualisierungen und Vertiefungsgespräche enthält. In der Essenz geht es jedoch um folgende drei Kernfragen:
- Wenn Sie auf alle Ihre durchlebten Jahre zurückschauen, was waren für Sie die drei bis fünf zentralen Lektionen, die Sie gelernt haben? Eine Lektion kann ein Erfolgserlebnis, eine Zäsur im Leben, eine einschneidende Erfahrung (erfreulich oder schmerzhaft), ein Rückschlag, ein Verlust, ein unvergessliches Abenteuer, eine Erkenntnis etc. sein. Dabei ist das durchlebte Erlebnis das eine, das andere ist, was wir damit gemacht haben, welche Einsichten wir daraus gewannen und wie es unser Verhalten weiter prägte. Kurz: Was hat uns diese Lektion fürs Leben mitgegeben?
- Wenn Sie Ihr jetziges Leben betrachten, wann erleben Sie starke Flow-Momente? Es sind jene Augenblicke, in welchen wir in unserem Tun aufgehen, in welchen wir einen klaren Fokus haben, in welchen wir die Zeit vergessen und in welchen uns die Aktivitäten mühelos von der Hand gehen. Wenn wir solche Momente gefunden haben, fragen wir uns: Welche Fähigkeiten, welche Qualitäten und welche Werte haben mir diese Flow-Momente ermöglicht?
- Wenn Sie in die Zukunft schauen, was ist es, das Sie anderen hinterlassen möchten (leave a legacy)? Mit anderen Worten: Welche Verantwortung haben Sie übernommen und wie erkennen andere Ihren Beitrag zu einem grösseren Ganzen? Dazu kann die Visualisierung Ihres 80. Geburtstages dienen mit den unterschiedlichen Rückmeldungen, die Sie von Ihrem Umfeld bekommen werden. Um sich in die Zukunft zu versetzen und zu erfahren, wie ein erfülltes Leben aussehen könnte, mögen auch die «Five secrets you must discover before you die» von Dr. John Izzo hilfreiche Impulse geben.
Wenn Sie diese drei Kernfragen umfassend kontempliert haben und die Antworten als Mindmap, als Symbole, als Collage etc. ausgelegt haben, dann beginnt die intensive Phase des Kondensierens. Und wenn Sie dann – über mehrere Schlaufen – Ihren Leadership Purpose entwickelt haben, wird nur Ihr wahrer Kern bestätigen können: Das ist es oder das ist es noch nicht. Eine Führungskraft, welche aus einem Burnout kam, hat nach intensiver Arbeit ihren Purpose folgendermassen formuliert: «Ein Leben in Balance leben, andere befähigen und Lebensqualität fördern.» Heute – viele Jahre nach dem Burnout – lebt er seine Mission mit Kopf, Herz und jeder Faser seines Körpers und wirkt damit inspirierend auf alle, die ihm begegnen. Wenn Sie diesen Weg beschreiten und Ihre innere Orientierung geklärt haben, werden Sie zwar immer noch Momente der Unsicherheit erleben. Aber Sie werden ihr mit mehr Souveränität begegnen, kompetenter Orientierung schaffen und mehr Erfüllung erleben. In der Unternehmung wirkt dies stabilisierend, klärend und anziehend. Deshalb gilt: Ist unser innerer Kompass geeicht, führen wir erfolgreicher und glaubwürdiger. Planen Sie jetzt Ihre Auszeit oder Ihr Leadership Coaching, um on mission zu leben und zu führen.
Referenzen / Weiterführende Links
- Chopra, D. (2010). Die Sieben geistigen Gesetze des Erfolgs. Ullstein Taschenbuch.
- Craig, N.; Snook, A. S. (2014). From Purpose to Impact. From Purpose to Impact (hbr.org)
- Zohar, D. (2021): What is SQ? What is SQ? | Danah Zohar
- Simon Sinek: How great leaders inspire action | TED Talk